Illustration: Lucas Peters
Fisch oder Fleisch? Darf’s noch etwas mehr sein? Den Nachtisch mit Schlagsahne obendrauf? Mehr als 200 Mal am Tag fällen wir Entscheidungen rund ums Essen – und sind uns meist nicht einmal bewusst darüber. Wer achtet etwa beim Abendbrot schon darauf, wie groß der Teller ist? Und doch spielt genau das eine Rolle dabei, wie satt wir uns fühlen: Wenn der Teller noch viel Platz lässt, scheint auch der Magen mehr zu wollen – selbst, wenn die Portion reichlich groß gewesen sein mag. Das Auge isst mit, und der Kopf folgt ihm blind.
Der Psychologe Brian Wansink erklärt dieses Phänomen, wie noch viele mehr, in seinem Buch „Essen ohne Sinn und Verstand“. Wansink leitet an der renommierten Cornell-Universität das Labor für Essenspsychologie, und als sein Buch 2006 im englischen Original erschien, hatte ich Gelegenheit, ihn für einen Artikel im Schweizer Nachrichtenmagazin FACTS zu interviewen.
Eines der verblüffendsten Experimente, die Wansink beschreibt, zeigt, wie sehr wir uns allein von Äußerlichkeiten beeinflussen lassen: Zwei Gruppen von Test-Essern bekamen genau das gleiche Gericht vorgesetzt, mit genau dem gleichen Wein als Beigabe – nur das Etikett auf der Weinflasche war unterschiedlich.
Im einen Fall suggerierte Wansink den Probanden, sie bekämen einen edlen Tropfen aus Kalifornien vorgesetzt, im anderen, der Wein komme aus Nord-Dakota, einem Bundesstaat, der aus gutem Grund nicht für leckere Traubensäfte bekannt ist. Das Ergebnis: Während die einen vom Tisch flohen, so schnell sie nur konnten, gaben die anderen, die scheinbar erstklassigen kalifornischen Wein genossen hatten, dem Essen höchste Noten und blieben sitzen, solange sie nur konnten. Getrunken hatten beide Gruppen in Wahrheit Billig-Wein vom Supermarkt.
FACTS ist leider inzwischen eingestellt worden. Deshalb nehme ich mir die Freiheit, hier den Artikel selbst ins Netz zu stellen – in der Annahme, dass der Schweizer Verlag nichts dagegen hat –, weil ich das Thema zeitlos faszinierend finde. Die großartigen Foto-Illustrationen stammen von Lucas Peters.