Karsten
Lemm
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Startup-Träume im Silicon Valley

Die Audience.fm-Gründer in ihrer Wohnung in San Francisco

Die Audience.fm-Gründer in ihrer Wohnung in San Francisco

Sie hätten in Paris bleiben können, mit ihrer neuen Firma richtig durchstarten in der alten Welt. Einen Preis bei der prestigeträchtigen Midem-Musikkonferenz in Cannes hatten die Gründer von Audience.fm schon gewonnen. Die Chancen für eine europäische Dotcom-Karriere standen gut. Doch das reichte ihnen nicht: Jules, Hedi und Tarek wollten mehr. Sie wollten ins Silicon Valley. Und richtig groß rauskommen. Als sie bei Angel Pad aufgenommen wurden, einer Art Karriere-Camp für Jungunternehmer, zogen sie in nur zehn Tagen von Paris nach San Francisco, um ihren Traum vom „Wenn schon, denn schon“ wahr werden zu lassen – auch wenn Audience.fm am Golden Gate, im Zentrum der Digitalwelt, bisher völlig unbekannt ist und sie wieder ganz von vorn anfangen müssen.

Stern-Artikel zum Silicon-Valley-Boom Web 2.0
Der Silicon Valley-Boom im Stern

Meine Kollegin Frauke Hunfeld und ich trafen die drei Audience.fm-Gründer für einen „Stern“-Bericht über den neuen Silicon-Valley-Boom: Es geht wieder rund im Tal der Technik, Tausende von hoffnungsfrohen Firmengründern pilgern nach Kalifornien, weil wieder Geld da ist, das Anlage sucht. Facebook, Twitter, Pinterest, Instagram, Yammer, Path – sie alle haben Investoren gezeigt, dass das Neue viele Millionen Nutzer finden kann, weil das Internet vom PC auf Smartphones und Tablets wandert und sich zeitgleich mit sozialen Medien vermählt. Und das Neue verspricht immer die Chance auf schnellen Reichtum, so lautet ein ehernes Gesetz des Silicon Valley, weil die Geschäfte, die dem Alten abhanden kommen, dem Neuen zufließen müssen – selbst wenn anfangs keiner so recht wissen mag, auf welchen Wegen das passieren wird.

Startup-Gründer Michael Perry zeigt ein Notizbuch mit Absagen von Investoren

Michael Perry mit der langen Liste von Investoren-Absagen

Auch Michael Perry gehört zu den nimmermüden Goldgräbern, die unbeirrt an ihre Chance glauben. Wenn nicht beim ersten Versuch, dann eben beim zweiten oder dritten. Perry hatte sich erst in den Kopf gesetzt, Kundenbindung neu zu erfinden, über ein digitales Bonuspunkte-System. Aber die gleiche Idee war anderen auch schon gekommen, früher als ihm, und deshalb hagelte es Absagen: Im Video, das ich über ihn für stern.de und das eMagazine gedreht habe, zeigt er die Liste aller Risiko-Investoren, die nein sagten. Sie ist lang und hätte die meisten anderen wohl entmutigt. Perry ließ sich nicht beirren. Er änderte Kurs und versucht es nun etwas neu und etwas anders, mit KIT, einer Internetsoftware, die Firmen helfen soll, ihre Fans besser kennenzulernen.

Airbnb logo

Perry macht das wohl genau richtig. Unterhält man sich mit denen, die es geschafft haben, wird klar, dass Erfolg eine schwer kalkulierbare Mischung aus guten Ideen, richtigem Timing und beinahe übermenschlicher Entschlossenheit verlangt – verbunden vielleicht mit einer Prise Naivität. „Wenn Sie etwas Neues ausprobieren wollen, können Sie nicht ständig darüber nachdenken, warum etwas garantiert nicht funktionieren wird“, erzählte uns Airbnb-Mitgründer Nate Blecharczyk im Stern-Interview. Dass ihr Dienst, der heute die Hotelbranche revolutioniert, monatelang nicht von der Stelle kam, ließ die Gründer zwar verzweifeln – aber sie glaubten fest daran, mit ihrer Idee auf Gold gestoßen zu sein. Sie wussten nur nicht, wie sie ihren Schatz heben sollten. Statt aufzugeben, probierten sie weiter. So lange, bis es klappte.

Nun, als Multimillionäre, genießen Blecharczyk und seine Freunde nicht etwa sonnige Tage am Strand und heiße Nächte in Las Vegas, sondern arbeiten ohne Unterlass weiter an Airbnb. Warum? „Wir sehen eine einzigartige Chance, noch viel mehr zu erreichen“, sagt Blecharczyk. „Aber das passiert nicht von allein. Und wenn es klappen soll, müssen wir weiterhin alles geben.“

ResearchGate founder Ijad Madisch at the office of PR agency The Hatch in San Francisco

ResearchGate-Gründer Ijad Madisch im Büro der PR-Agentur „The Hatch“ in San Francisco

Dass man nicht unbedingt im Silicon Valley sein muss, um eine Jungfirma aus der Taufe zu heben und zu einem weltweiten Erfolg zu machen, zeigt der gebürtige Hannoveraner Ijad Madisch. Als Madisch an der Harvard-Uni an seiner Doktorarbeit bastelte, fragte er sich: „Warum gibt es eigentlich kein soziales Netzwerk speziell für Wissenschaftler?“ Eines, das Forschern wie ihm helfen würde, mehr darüber zu erfahren, woran andere arbeiten, was funktioniert hat und – beinahe wichtiger noch – was nicht. Damit nicht alle die gleichen Fehler immer wiederholen.

Daheim in Hannover sagte sein Doktorvater: „Wissenschaftler sind nicht sozial. Kriegen Sie diesen Firlefanz aus dem Kopf!“ Aber Madisch glaubte an seine Idee, fand Unterstützung bei seinem Harvard-Mentor und ging zurück in die USA. Dennoch tat er später alles, um sein Startup „ResearchGate“ in Deutschland groß zu ziehen, nicht in den USA.

Selbst als er den Star-Investor Matt Cohler für seine Idee gewann, sperrte er sich erfolgreich dagegen, ins Silicon Valley überzusiedeln. „Wir hätten nicht den Erfolg gehabt, den wir in Berlin haben, wenn wir nach Kalifornien gezogen wären“, erzählte Madisch mir im Gespräch für ein Porträt auf stern.de. Teure Mieten, hohe Löhne, erbarmungsloser Wettbewerb um Mitarbeiter – all das macht Jungfirmen das Leben im gelobten Land der Technikwelt sehr schwer. Berlin dagegen „ist vergleichsweise billig, und es gibt gute Leute“, sagt Madisch. „Leute, die hungrig sind auf Erfolg.“

Der Stern-Artikel ist weiterhin über das eMagazine für Apples iPad und Android-Tablets abrufbar. Den Rest gibt’s bei stern.de.

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