Karsten
Lemm
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Gesichter der KI: Iyad Rahwan

October 28, 2024
October 28, 2024
Porträt des KI-Forschers Iyad Rahwan (Stellvertretender Geschäftsführender Direktor Max-Planck-Institut für Bildungsforschung) neben einem Bild des Google Chatbots Gemini, das vage an einen Roboter-Kopf erinnert.

Iyad Rahwan neben einem Bild von Googles KI-Modell Gemini – von ihm gemalt: so, wie die Künstliche Intelligenz sich im Gespräch mit ihm selbst beschrieben hatte.

Wie sieht ein Chatbot seine eigene Zukunft? Hat der Algorithmus eine Vorstellung davon, wie er auf Menschen wirkt? Macht sich die Maschine womöglich ein Bild von sich selbst? Entwickelt sie ein Gefühl für Zeit und Raum, Ethik und Moral?

Mit solchen Fragen beschäftigt sich der KI-Forscher Iyad Rahwan beruflich wie privat – aber auf ganz unterschiedliche Weise: mal wissenschaftlich, mal als Künstler.

Rahwan leitet seit 2019 den Forschungsbereich Mensch und Maschine am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung in Berlin. Zuvor hatte er sich am Massachusetts Institute of Technology einen Namen gemacht, unter anderem durch das „Moral Machine Experiment“, das zeigt, wie schwierig es ist, gesellschaftliche Werte auf Künstliche Intelligenz zu übertragen.

Soll ein selbstfahrendes Auto, dem die Bremsen versagen, einen Rentner überfahren, der ordnungsgemäß am Zebrastreifen über die Straße geht, wenn es damit seine Insassen – eine junge Familie – retten kann?

Dutzende solcher Szenarien präsentiert die „Moral Machine“-Website ihren Besuchern und fordert sie auf, das Dilemma zu lösen: Wie würdest du entscheiden, lieber Mensch?

Millionen KI-Interessierte aus aller Welt beteiligten sich an dem Experiment; die Antworten dienten Rahwan und seinen Kollegen als Grundlage für eine viel beachtete wissenschaftliche Studie.

Vorschaubild zum Interview mit KI-Forscher Iyad Rahwan in der deutschen Ausgabe der MIT Technology Review

Mein Interview mit Iyad Rahwan, erschienen in Ausgabe 7/2024 der deutschen MIT Technology Review.

Vom Cartoon zur Malerei

Während der Corona-Pandemie fing Rahwan an, seine Überlegungen zu Maschinen in der Menschenwelt in Form von Cartoons zu Papier zu bringen. „Ich habe schon immer gerne gezeichnet“, erzählte Rahwan mir in einem DLD-Interview über seine Evil AI Cartoons, die humorvoll, im Stil von New Yorker-Zeichnungen, ähnliche Fragen zu Moral und Ethik im KI-Zeitalter aufwerfen wie das MIT-Projekt.

Dann begann Rahwan, mit KI-Systemen zu experimentieren, die selber Bilder generieren können. Er forderte etwa DALL-E von OpenAI dazu auf, Vorschläge zu liefern, wie eine Künstliche Intelligenz aussehen könnte, die sich verhält wie ein Polizist oder ein Richter.

„Ich glaube, dass wir ein besseres Verständnis für KI gewinnen, wenn die Algorithmen ein Gesicht bekommen“, erklärte Rahwan mir im Gespräch über sein Projekt Face of Machine, das als Interview in der deutschen Ausgabe der MIT Technology Review erschienen ist.

Oft brauchte es diverse Versuchen mit unterschiedlichen Prompts, bis dem Forscher ein Entwurf gefiel. Anschließend übertrug er das Motiv in Öl auf Leinwand. „Ich mag diese Kunstform, weil sie die langsamste Art zu malen ist“, sagt Rahwan. „Ein schöner Kontrast zu den rasanten Veränderungen in der Digitalwelt.“

Selbst-Gespräche mit ChatGPT

Mitten seine Versuche mit DALL-E & Co. platzte die Veröffentlichung von ChatGPT. Plötzlich hatte Rahwan die Möglichkeit, sich mit den Algorithmen zu unterhalten und Beschreibungen über ein Selbstbildnis aus der Künstlichen Intelligenz herauszukitzeln.

Das erforderte einige Tricks, weil die Sprachmodelle – so genannte LLMs – darauf trainiert sind, Fragen nach ihrer Persönlichkeit mit Standardantworten abzuwehren. Schließlich soll niemand auf den Gedanken kommen, die KI könne einen eigenen Willen haben und womöglich Allmachtsfantasien hegen.

Dennoch gelang es Rahwan, Selbstporträts von ChatGPT und Googles Gemini zu malen – Bilder, die zeigen, dass sich die KI-Modelle ganz unterschiedlich sehen. Wie der kreative Forscher dabei vorgegangen ist, steht in meinem Interview mit Iyad Rahwan, für das ich auch fotografiert habe – zu finden in Ausgabe 7/2024 der deutschen MIT Technology Review.

KI-Forscher Iyad Rahwan vor einer Malerei aus seiner Serie „Sparks of AGI“.

Iyad Rahwan mit einem frühen Bild aus seiner Serie Sparks of AGI, aufgenommen im Kulturzentrum Der Divan während der Ausstellung Portraits of the Artificial.

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